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Gustav Landauer und Georges Bataille

 

 


 

Gustav Landauer war ein Anarchist und Mystiker, auch Georges Bataille darf als Mystiker bezeichnet werden; er selbst sah sich wohl eher als Soziologe oder Religionswissenschaftler. Mystisch ist das Denken beider, insofern die Sprache als taugliches Instrument zur Erkenntnis der Welt zurückgewiesen wird. Im mystischen Zustand scheitert die Sprache, weil keine Beschreibung diesem genügt.


Die Erfahrung des Mystikers bildet das prinzipiell Unsagbare, das Unkommunizierbare. Zugleich erwächst in der Ekstase, die als Erlebnis die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Subjekt und Subjekt zum Schmelzen bringt, das Gefühl für eine schrankenlose Gemeinschaft aller Menschen, ja, aller Wesen im Weltall. Landauers Mystik führt ihn zur Vision eines neuen Menschen, eines Menschen, der fähig ist, in einer wahren und gerechten, d.h. einer sozialistischen Gemeinschaft zu leben. An die Erfahrung im mystischen Zustand schließt Landauer seine politischen Forderungen an.  Er benutzt Spinoza und Meister Eckhart, die er gründlich studiert hat, zur Entwicklung einer Theorie der Alleinheit und zieht daraus seine anarcho-politischen Konsequenzen. (Vielleicht ist es notwendig, darauf hinzuweisen, daß Anarchismus nicht mit Terrorismus verwechselt werden darf. Viele Anarchisten und auch Landauer lehnten gewalttätige Aktionen entschieden ab.)

 

Das Denken Landauers und Batailles ist stark religiös geprägt, aber es ist nicht christlich. Landauer ist ein konfessionsloser Jude, der seinem Judentum sehr distanziert gegenüber stand. Bataille kritisiert das Christentum in grundsätzlicher Weise; er versteht das Christentum als eine Simplifizierung der Wirklichkeit mit seiner strikten und naiven Trennung von gut und böse und der für Bataille abwegigen Vorstellung, daß das Gute nur gut, das Böse nur böse sei! Beide, Landauer und Bataille, stehen in der Nachfolge Nietzsches und in der Tradition eines Philosophierens nach dem Tod Gottes.

 

Wer sagt, nach dem Tod komme nichts, dem könnte mit Meister Eckhart entgegnet werden: Ja, richtig, nach dem Tod kommt das Nichts, aber das Nichts, vor dem du dich so fürchtest, das ist Gott! Für Landauer steht dieses Nichts für das Aufgehen des Einzelnen in der Menschheit und im Alleinen. Gott reduziert sich bei Landauer auf eine “Ewigkeit in uns”. Bataille hat einen eigenen Ausdruck dafür, er nennt es Kontinuität. Bataille ist der Philosoph des Heteronomen, des Fremden, des Anderen; heteronom ist alles, was erschreckt, was ekelt, was abstößt. Das, was Batailles Gegnerschaft erweckt, ist die Vorstellung einer einheitlichen Welt, in der alle Erfahrungen friedlich und homogen nebeneinander angeordnet sind. Hegels Philosophie ist ihm für solch ein Denken paradigmatisch: Die von Hegel beschriebene allmähliche Verwirklichung des absoluten Geistes in der Welt empfindet Bataille als entsetzliche Bedrohung.

 

Bataille macht darauf aufmerksam, daß es in dieser Welt Risse gibt, nämlich den Schrecken, das Entsetzen, den Tod. Und diese Dinge, das Heteronome eben, versteht er nicht als Erscheinungen, die wir schon bald in einer künftigen idealen Welt beseitigt haben, sondern die als wesentlich unserem Leben zugehören. Bataille will sowohl der Rationalität wie auch der Irrationalität ihr Recht zugestehen. Gerade, wenn die irrationalen Seiten in unserem Dasein verleugnet werden, drohen Katastrophen, die niemand mehr kontrollieren kann. Batailles Mystik ist eine Rechtfertigung des Irrationalen, des verfemten Teils des menschlichen Lebens.

 

Wir leben heute in einer Zeit, in der Utopien unmodern geworden sind, alle sozialen Experimente scheinen schon gemacht und sind gescheitert. Das war zu Landauers Zeit völlig anders, Vorstellungen vom anderen und besseren Leben hatten vor dem 1. Weltkrieg Konjunktur und blühten üppig und bunt, durchaus dem überbordenden Reichtum organischer Formen im zeitgenössischen Jugendstil entsprechend. Die großen Ernüchterungen folgten dann bald.

 

Auch Bataille stand, zumindest zeitweise, der politischen Linken nahe. Doch die Linke distanzierte sich bald von Bataille, ähnlich wie die Sozialdemokratie in Landauer einen Fremdkörper erblickte. Bataille wurde und wird sogar verdächtigt, Sympathien für den Faschismus, zumindest Verständnis für ihre Rituale, gehegt zu haben. Verstehen wollte Bataille unbedingt, aber Sympathie mit dem Faschismus empfand er sicherlich nie.