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Philosophische Bergbesteigungen

 

Die Alten scheinen das Bergsteigen verabscheut zu haben. Die Scheu der antiken Menschen, einen Berg zu besteigen, erklärt sich dadurch, daß die Sicht von oben herab als den Göttern vorbehalten galt. (Vgl H. Blumenberg, Die Legitimität der Neuzeit, 1988, 2. A., S. 397f. Anm.)

 

War die Bergbesteigung Moses für die mystische Literatur vielleicht der Anlaß zur Gipfelmetaphorik ? (Siehe z.B. Dionysius Areopagita Myst.Theol. I 1, der seine Theorie vom göttlichen Dunkel hier anbindet. H.Ch.Puech, La ténèbre mystique chez le Pseudo-Denys l'Areopagite et dans la tradition patristique, Études carmélitaines 23,2, Paris 1938, 33-53)

 

Die Lichtgestalt des verklärten Christus sahen die Jünger auf dem Berg Tabor. (Vgl. Dionysius Areopagita, Namen Gottes 1, 4, 592C. Zum "Berg der Seligpreisungen", s. Gregor von Nyssa, De beatitudinibus 1, I, 1193 B.)

 

Doch nicht vom „apex mentis“ (Gipfel des Geistes) oder vom „apex theoriae“ (Gipfel der Betrachtung) bei neuplatonischen und mystisch-cusanischen Denkern und ihren metaphorischen Gipfelstürmereien soll hier die Rede sein, sondern von der physischen Besteigung eines Berges in der Geschichte der Philosophie.

 

Platon scheint 388 v.Chr. ursprünglich aus Studienzwecken nach Unteritalien gereist zu sein, vor allem beeindruckten ihn Vertreter der pythagoreerischen Philosophie, die er im Süden Italiens treffen konnte. Er habe auch den Ätna sehen wollen; man weiß nicht, ob er ihn gesehen hat.

 

Seneca fordert seinen Freund und Briefpartner Lucilius auf, den Ätna zu besteigen, um ihm hinsichtlich seiner Naturerlebnisse dann davon zu berichten. Seneca Ep. 79. - Seneca war sehr interessiert an Naturstudien und hat darüber ein ganzes Buch geschrieben, seine “Naturales quaestiones”, und zwar etwa zu jener Zeit, als er den Lucilius, der Steuereinnehmer auf Sizilien war, zu dieser Bergbesteigung aufforderte.

 

Während eines Aufenthalts in der syrischen Metropole Antiochia stieg der römische Kaiser Hadrian auf den Berg Kasios, weil man von dort aus den Sonnenaufgang schon früher als anderswo sehen konnte. Bei solchen Bergbesteigungen waren sicher auch religiöse Gründe im Spiel (wie heute noch beim Adamspeak in Sri Lanka), Hadrian hatte im Orient den Sonnenkult kennengelernt, den seine Nachfolger dann in Rom einführten. Kaiser Julian, ein Verehrer des Sonnengottes, bestieg August 362 n.Chr. den Berg Kasios von Antiochia aus. Der Berg Kasios lag etwa 50 Kilometer südwestl. von Antiochia und ragte mit 1770 Metern steil aus der Küstenebene empor. Gekrönt wurde er von einem Tempel des Zeus Kasios, eines der alten Stadtgötter. Früher hatten die Antiochener dort ein jährliches Fest zu ehren ihres Stadtgründers Seleukos Nikator gefeiert. Berühmt war der Aufstieg auch deswegen, weil man vom Gipfel aus schon "beim zweiten Hahnenschrei", also vor Ende der Nacht, die sonne aufgehen sah. Marion Geibel, Reisen in der Antike 1999, 195; Klaus Rosen, Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser. Stuttgart 2006, 290.

 

Die wohl älteste und zudem autobiographische Schilderung einer alpinistischen Gipfelbesteigung stammt von Aetheria (Egeria), frühe christliche Pilgerin ins Heilige Land, die am 16. und 17. Dez. 383 n. Chr. den sog. Djebel Musa (2285 m hoch) im Sinaigebirge bestieg, dem Berg, wo Gott dem Moses die Gesetzestafeln überreichte. Der Berg wurde in den folgenden Jahrhunderten wiederholt von Pilgern aufgesucht. ("Der Sinai - Tor zu anderen Welten" von Rudolf Hiestand, in: Peter Wunderli, Hg., Reisen in reale und mythische Ferne. Reiseliteratur in Mittelalter und Renaissance, Düsseldorf 1993, 76 - 102, bes. 81.)

 

Anselm von Canterbury hat sein Werk "Cur Deus homo" während seines ersten Exils abgeschlossen. Nach dem Konzil von Bari 1098 begab er sich, auf Einladung seines ehemaligen Mönches zu Bec, Johannes, dann Abt von S.Salvator in Telesi in Kampanien, auf dessen Sommervilla Sclavia auf der Höhe eines Berges, um dort der römischen Sommerhitze zu entgehen. Und hier, Sommer 1098, fand er die nötige Muße, das Werk zu vollenden. (Anselm von Canterbury, Cur Deus homo, Darmstadt 1956, Einführung v. Franciscus Salesius Schmitt OSB, S. VIII)

 

Auf seiner Flucht von zuhause, fort von seinem Vater, mit dem er sich zerstritten hatte, fort von seiner Heimat Aosta, wanderte Anselm nordwärts und überschritt mit viel Beschwer den Paß von Mont Cenis. Noch eine Bergbesteigung! (R. Allers, Einleitung, in: Anselm von Canterbury, Leben, Lehre, Werke, Wien 1936, S. 23)

 

33 Jahre nach dem Tod des Franziskus bestieg Bonaventura im Herbst 1259, um die Jahreszeit seines Hinscheidens, auf göttliche Eingebung, wie er im Prolog seines "Pilgerbuches der Seele zu Gott" beteuert, den Berg La Verna (Alverna) in der Toskana, wo dem Heiligen ein seraphischer Engel mit drei Flügelpaaren erschienen war; hier kam Bonaventura auf die Idee, sein berühmtestes Werk, das Itinerarium mentis in Deum zu schreiben. "Beim Nachdenken darüber wurde mir alsbald klar, daß jene Erscheinung die Entrückung unseres Vaters in der Beschauung bedeute und den Weg, auf dem man zu ihr gelangt." (Prolog, Itinerarium. - Vgl. Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, 2.Bd., Frauenmystik und Franziskanische Mystik, München: Beck 1993, 406-445, 411ff.; vgl. Stefan Gilson, Der Heilige Bonaventura, Hellerau: Hegner 1929, zuerst franz. 1923, 41, 104, 110f.)

 

Raymundus Lullus (~1232 - 1316) erfuhr seine Berufung durch eine Vision auf dem Berg Randa. Angeblich nachdem sein Arabisch-Lehrer durch seine Schuld Selbstmord begangen hatte! Er empfing eine Vision darüber, wie er das Buch gegen die Irrlehren und die Ungäubigen zu schreiben habe.

 

Um das Jahr 1272 empfing er diese Erleuchtung auf Mont Randa, einer der mallorquinischen Inseln, in der er sah, wie die Attribute Gottes, seine Gütte, Größe, Ewigkeit und so weiter, in die gesamte Schöpfung einflossen, und begriff, daß sich auf diese Attribute eine Kunst gründen ließe, die, weil sie auf der Realität fußt, allgemeine Gültigkeit haben müßte.  (F. A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare, Weinheim 1990, 163) An jener Stelle auf dem Berg ließ er später das Kloster Miramar errichten.

 

Petrarca, Entdecker des Reizes der wildromantischen Natur, "der erste Tourist" (J. Ritter, Landschaft, in: Subjektivität 1974, 141-163), war der berühmteste Bergsteiger der Renaissance, er erkletterte 1336 den Mont Ventoux (Ep. de rebus famil.IV 1). Seine Neugier bewegt ihn, den Monte Ventoux zu besteigen, "einzig aus dem Wunsch, die ungewöhnliche Höhe dieses Flecks Erde durch den Augenschein kennenzulernen." Das Ergebnis ist die erste objektive Beschreibung des Anblicks einer weiten Landschaft von oben. Am 26. April 1336 [1335?] bestieg er diesen Berg, mit einer Ausgabe der Confessiones im Gepäck, um aber, oben angelangt, einzugestehen, daß der verehrte heilige Augustinus recht habe: Nicht äußere Dinge, nur die Innenschau erfülle das menschliche Glücksbegehren. Die Lektüre auf dem Gipfel bewirkt eine Konversion. Petrarca fühlt sich von Augustins Tadel der Außenorientierung so sehr getroffen, daß man darauf schließen kann, er habe die Bergbesteigung als der erste Tourist unternommen. (J. Ritter, Landschaft 1974; K. Steinmann, Petrarca. Die Besteigung des Mount Ventoux, lat.-dt. Stuttgart 1995; Kurt Flasch, Augustin. Einführung in sein Denken, Stuttgart: Reclam 1980, 343f.) In negativer Form wäre dann Augustinus in einem Geburtsmoment des neuzeitlichen Bewußtseins präsent. Mit der Besteigung des Mount Ventoux, lassen manche Autoren die Moderne beginnen. Den Bericht über die Besteigung des Mont Ventoux findet sich in einem Brief Petrarcas vom 26. April 1336 an Dionysius de Burgo Sancti Sepulcri (D. de Robertis), etwa 1280 - 1342 (Vgl. E. Kessler, Petrarca und die Geschichte, 1978, s. a. LdM; eine Fiktion vermutet Walter Haug, Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine Schriften zur Literatur des Mittelalters. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1996; vgl. auch E. Cassirer, Individuum und Kosmos 1927, 152)

 

Die Geschichte der Bergsteigerei beginnt im Jahr der Entdeckung Amerikas. Schon 1492 wurde der schroffe Mont Aiguille mit Hilfe von Leitern und anderem Werkzeug bestiegen; 1786 folgte dann die Erstbesteigung des Mont Blanc; doch das waren ganz singuläre Leistungen, der systematische Gipfelsturm erfolgte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und mutierte in rezenten Zeiten zum Volkssport.

 

1519 bestieg Diego de Ordaz auf Befehl von Hernando Cortes den Popocatepetl, wobei Anlaß wohl war zu klären, was es mit dem Vulkanismus dieses Berges auf sich hatte, denn keiner der Spanier hatte jemals einen tätigen Vulkan gesehen. Ordaz kam fast bis zum Kraterrand, und während der Berg rumpelte und zitterte und in einem kleinen Ausbruch Steine und Asche hochwarf, sah er als erster Europäer Tenochtitlan.

Bernal Diaz berichtet, daß der Bericht von Ordaz, der übrigens stotterte und bei dieser Gelegtenheit wohl viel gestottert haben wird, veranlaßte, daß Cortes und seine Leute sich über mehrere Tage bis zum verschneiten Paß zwischen den Vulkanen hinaufgearbeitet hatten und Tenochtitlan mit eigenen Augen sahen. Es war wie das Zauberreich im Roman von Amadis, die Männer glaubten Traumgesichter zu sehen, Dinge, die man noch nie gesehen oder gehört hatte, nicht einmal im Traum. (Anna Lanyon, Malinche. Die andere Geschichte der Eroberung Mexikos Zürich: Ammann 2001, 116)

 

Konrad Gesner bestieg am 20. Mai 1555 den Pilatus in den Voralpen südlich Luzerns; ein Unternehmen, das seinen Zeitgenossen noch absurd erschien. Gesner verfaßte eine "Naturgeschichte", insbes. über die Tierwelt handelnd.

 

Als Kind spielte Bruno zu Füßen von Vesuv und Monte Cicala. Aufgewachsen am Vesuv, ordnete sich Bruno eruptive Leidenschaften zu! (Anacleto Verrecchia, Giordano Bruno. Nachtfalter des Geistes. Wien u.a.: Böhlau 1999, S. 29) Bei Giordano Bruno gibt es leitmotivisch den Ausdruck “täuschender Horizont” In diesem Empfindungskreis wächst sogar der Vesuv in die Rolle eines “philosophischen Berges” hinein, denn Bruno erzählt, in seiner Kindheit habe es ihm immer geschienen, als gäbe es nichts mehr hinter dem Vesuv - was er dann aber als einen stimulierenden Irrtum erkannte. (G. Bruno, De immenso et innumerabilibus,1591, zit. bei Harro Heuser, Unendlichkeiten. Nachrichten aus dem Grand Canyon des Geistes, Wiesbaden: Teubner 2008, 171; vgl. Paul Richard Blum, Giordano Bruno, München: Beck 1999, S. 9)

 

Von den Humanisten ist es bekannt, daß sie Berge einer gewissen Neugier wegen bestiegen. Den mittelalterlichen Menschen wurde verschiedentlich bestritten, daß sie einen Gipfel der Aussicht willen bestiegen. (S. Jakob Berg, Ältere dt. Reisebeschreibungen, Diss. Giessen 1912, 42; vgl. auch J. Gebser, Abendländ. Weltanschauung, 1968 8.A.). Dem ist aber auch entschieden widersprochen worden. (S. Hans-Joachim Lepszy, Die Reiseberichte des Mittelalters und der Reformationszeit, Diss. Hamburg 1952, 197 mit zahlr. Belegen; vgl. auch zu Egeria). - Das skeptische Argument, daß das christliche Mittelalter der Bergbesteigung fremd gegenüberstand ist einmal plausibel, weil der Teufel den Herrn auf einem hohen Berge versuchte, dann natürlich, weil die Ansicht der Alpen in Sonderheit, die Gebirge aber überhaupt, ein Grauen auslösten. (S. Lepszy S. 197 mit Stellenhinweisen).

 

Athanasius Kircher pilgerte zum Aetna; er erlebte ein Erdbeben in Kalabrien.1660 bringt ihn der Ausbruch des Vesuvs in Lebensgefahr, weil er das Erdgeschehen über den Krater des Vulkkans gelehnt studieren mußte. Kircher beobachtet Erdbeben bzw. Vulkanausbrüche am Stromboli, Ätna und Vesuv. (Magie des Wissens. Athanasius Kircher 1602-1680. Universalgelehrter, Sammler, Visionär.  Ausstellung Würzburg und Fulda 2002/2003, S. 18, 32, 132f.)

 

Am 24. März 1638 begann Athanasius Kircher in Unteritalien eine Seereise, kurz darauf begannen Ätna und Stromboli heftig zu erodieren und riesige Rauchwolken auszustoßen, sogar der Vesuv setzte mit eruptiven Aktivitäten ein. Wo immer die Reisenden anlegten, mußten sie die Küstenorte sofort wieder verlassen, weil sie durch heftige Erdstöße erschüttert wurden. Durch vulkanische Tätigkeit wurde das Meer selbst stark erhitzt und regelrecht in einen brodelnden Zustand versetzt. Wie durch ein Wunder überlebte die Gruppe die schweren Vulkanausbrüche und die damit einhergehenden Beben im März/April 1638 und erreichte schließlich Neapel.

 

Noch in derselben Nacht mietete Kircher einen Führer, den er mit einem hohen Lohn überreden musste, und bestieg den Vesuv. Er wollte die Spuren des Plinius folgen, den Vulkan aus nächster Nähe begutachten, ohne selbstverständlich das Schicksal seines Vorläufers teilen zu wollen. Der unheimliche Krater des Vesuvs war ganz vom Feuer erleuchtet und verbreitete einen unerträglichen Schwefel- und Pestgeruch. Kircher schien an der Behausung der Unterwelt, am Wohnsitz der bösen Geister angekommen zu sein.

 

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages ließ er sich an einem Seil auf einen im Krater hgervorstehenden Felsbrocken hinab, um die "unterirdische Werkstätte" aus nächster Nähe begutachten zu können. Durch das Schauspiel wurde er sehr bestärkt in seiner Ansicht vom feuerflüssigen Zustand des Erdinneren. Demgemäß betrachtete er die Vulkane als Sicherheitsventile des unterirdischen Feuerherds. (A. Kircher, Selbstbiographie, übers. von Nikolaus Seng, Fulda 1901, 40-48)

 

Als Jakob Böhme in seiner Knabenzeit einmal allein einen nahe gelegenen Berg bestiegen hatte, soll er auf dessen Gipfel einen Eingang zu einer Höhle gefunden und darin ein großes Gefäß voller Goldmünzen entdeckt haben. Über diesen Anblick habe er sich jedoch nicht gefreut, er sei vielmehr voller Schrecken und Grausen darüber eiligst davon gelaufen sein. Den Eingang zu jener Höhle habe er nachher, obwohl er wohl danach suchte, nie wiederfinden können. (Frank Ferstl, Jacob Boehme - der erste deutsche Philosoph. Eine Einleitung in die Philosophie des Philosophus Teutonicus, Berlin: Weißensee 2001, S. 14)

 

Vielleicht weilte René Descartes auf dem Mont Cenis. Er schrieb über Lawinen und über die Methode der Berghöhenmessung. Ob er aber selbst dort war, ist unklar. (Uwe Schultz, Descartes, Hamburg 2001, 84f., vgl. Adam/Tannery Werke des Cartesius VI, 316 u. 636)

 

Blaise Pascal regte ein Experiment über den Zusammenhang von Höhe einer Quecksilbersäule und der darüberliegenden Luftsäule auf einem Berg an; doch zu Pascals Zeiten waren Bergtouren nicht en vogue (Wußing, Geschichte der Naturwiss., S. 262).

 

Auf dem Puy de Dome in der Auvergne soll Pascal Experimente zur Schwerkraft durchgeführt haben! Er wollte überprüfen, ob Torricellis Vakuum in einer mit Quecksilber gefüllten Röhre auch in Bergeshöhen nachzuweisen sei. Dort mußte es, aufgrund des geringeren Luftdruckes auch kleiner sein. Die Experimente bestätigten alle Vorhersagen Pascals. Aber nicht er, sondern sein Schwager Florin Perier führte am 15. Nov. 1647 erste Versuche auf dem Berg durch. (Jacques Attali, Blaise Pascal. Biographie eines Genies, Stuttgart: Klett-Cotta 2006, zuerst 2000, S.  113, 129f.; vgl.

B. Pascal, Pensées, übers. von E. Wasmuth, 1978, Frgm. 22)

 

Nachdem Leibniz im April 1689 in Rom eingetroffen war, besuchte er anschließend auch Neapel, wo er etwa eine Woche blieb, und er bestieg den Vesuv. (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Bd. 4. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation Nord- und Ostmitteleuropa. Hgg. v. Helmut Holzhey und Wilhelm Schmidt-Biggemann, Schwabe: Basel 2001, 1015; E.J. Aiton, G.W. Leibniz. Eine Biographie, Frankfurt/M. 1991, 232)

 

George Berkeleys erste Reise in den Süden begann Ende Oktober 1713, während Graf Peterborough, als dessen Begleiter er fungierte, von Lyon direkt nach Toulon weiterreiste, nahm Berkeleley den Landweg über den Mont Cenis. Er zeigte sich auch den Strapazen einer Alpenüberquerung im Winter gewachsen, was er im November 1716 ein weiteres Mal auf sich nahm. Im Herbst 1716 trat er seine zweite Kontinentreise an; sie dauerte vier Jahre. Berkeley bestieg am 17. April 1717 den Vesuv; seine Beschreibung des tätigen Vulkans übersandte er Arbutnot. Der Bericht (The Eruption of Mount Vesuvius) erschien noch im selben Jahr in den Philosophical Transactions der Londoner Royal Society. Arend Kulenkampff, George Berkeley, München: Beck 1987, 9, 20f.

 

 

“Der Ausbruch des Vesuv. 180

Auszug aus einem Brief des Herrn Edward[sic!] BERKELEY aus Neapel, der verschiedene interessante Beobachtungen und Bemerkungen bei den Ausbrüchen von Feuer und Rauch aus dem Vesuv wiedergibt.

Mitgeteilt von Dr. JOHN ARBUTHNOT, M.D. und R.S.S. 181 17. April1717. Unter großer Schwierigkeit erreichte ich den Gipfel des Vesuv. In ihm sah ich eine ungeheure Öffnung voll Rauch, der einen die Tiefe und Form nicht sehen ließ. Ich hörte in diesem schrecklichen Abgrund gewisse merkwürdige Töne, die aus dem Bauch des Berges zu kommen schienen. Eine Art von Murmeln, Ächzen, Klopfen, Schütteln, Stoßen wie von Wellen und dazwischen ein Geräusch wie Donner oder Kanonen, das beständig begleitet war von einem Krach wie der von Ziegeln, die von Dächern auf die Straße fallen. Manchmal, wenn der Wind drehte, wurde der Rauch dünner, gab eine sehr rote Flamme frei und der Schlund des Beckens oder Kraters blitzte in Rot und verschiedenen Schattierungen von Gelb. Nach einer Weile von einer Stunde gab uns der Rauch, der durch den Wind weggeweht wurde, kurze und unvollkommene Blicke in die große Höhle frei , auf deren flachem Boden ich zwei sich fast berührende Feueröffnungen unterscheiden konnte. Die zur Linken, die etwa 300 Yards [ca. 275 m] Durchmesser zu haben schien, glühte in roter Flamme und schleuderte rotglühende Steine mit einem schrecklichen Geräusch heraus, die, wenn sie zurückfielen, den oben erwähnten Krach verursachten.

8. Mai. Am Morgen stieg ich ein zweites Mal zum Gipfel des Vesuv auf und fand eine andere Lage der Dinge. Der senkrecht aufsteigende Rauch gab den Blick auf den Krater ganz frei, der, wie ich schätzen würde, etwa eine Meile [ca. 1,5 km] Umfang hat und hundert Yards [ca. 91 m] tief ist. Seit meinem letzten Besuch hatte sich ein kegelförmiger Berg auf der Mitte des Bodens gebildet. Dieser Berg, das konnte ich sehen, war aus den emporgeschleuderten Steinen, die in den Krater zurückgefallen waren, entstanden. In diesem neuen Hügel waren die beiden schon erwähnten Öffnungen oder FeuerIöcher offen geblieben. Das auf unserer linken Seite war auf dem Gipfel des Hügels, den es um sich gebildet hatte, und tobte kräftiger als vorher, indem es alle drei oder vier Minuten eine große Zahl von rotglühenden Steinen mit einem schrecklichen Getöse herausschleuderte, manchmal anscheinend etwa tausend, wenigstens 300 Fuß höher als mein Kopf, während ich auf dem Rand stand. Da es aber nur wenig oder gar keinen Wind gab, fielen sie senkrecht in den Krater zurück und vergrößerten den kegelförmigen Hügel. Die andere Öffnung auf der rechten Seite war weiter unten an der Seite desselben neu gebildeten Hügels. Ich konnte erkennen, daß sie mit einer rotglühenden flüssigen Masse gefüllt war, ähnlich jener in dem FeuerIoch einer Glasbläserei. Sie tobte und schlug wie die Wellen der See, indem sie ein kurzes abruptes Geräusch verursachte, das man sich vorstellen mag wie das, welches eine See von Quecksilber verursacht, die zwischen unebene Felsen schlägt. Dieses Zeug wurde manchmal herausgespuckt und lief die gewölbte Seite des kegelförmigen Hügels hinunter. Es erschien zuerst rotglühend, wechselte dann die Farbe und wurde fest, wenn es erkaltete, indem es die ersten Spuren eines Ausbruchs oder, wenn ich so sagen darf, eines Ausbruchs en miniature zeigte. Hätte der Wind uns entgegengeweht, so wären wir in nicht geringer Gefahr gewesen, durch den Schwefelrauch zu ersticken, oder von Klumpen geschmolzener Mineralien am Kopf getroffen zu werden, die, wie wir sahen, manchmal auf den Rand des Kraters fielen , abgesehen von den Geschossen aus dem Loch im Boden. Doch da der Wind günstig stand, hatte ich Gelegenheit, diese seltsame Szene insgesamt etwa eineinhalb Stunden lang genau zu betrachten. Während dieser Zeit konnte man sehr gut beobachten, daß all die Rauchschwaden, Flammen und brennenden Steine nur aus der Höhle zu unserer Linken herauskamen, während das flüssige Zeug, wie schon beschrieben wurde, in der anderen Mündung brodelte und aus ihr herausfloß.

5. Juni. Nach einem schrecklichen Geräusch sah man in Neapel, daß der Berg ein bißchen aus dem Krater spuckte. So ging es am 6. weiter. Bis zwei Uhr in der Nacht beobachtete man nichts. Es begann ein schreckliches Donnern, das sich die ganze Nacht und den nächsten Tag bis zum Mittag fortsetzte. Es war die Ursache dafür, daß die Fenster und, wie einige behaupten, sogar die Häuser in Neapel zitterten. Von dieser Zeit an spuckte er große Mengen geschmolzenen Materials nach Süden. Dieses strömte den Berghang hinunter wie ein großer überkochender Topf. An diesem Abend kehrte ich von einer Reise durch Apulien zurück und war überrascht, als ich an der Nordseite des Berges vorbei kam und an einem großen Teil des Himmels über dem Fluß mit dem geschmolzenen Material rötlichen Rauch sah. Der Fluß selbst war aber nicht zu sehen. Am 9. tobte der Vesuv weniger heftig. In dieser Nacht sahen wir von Neapel aus eine Feuersäule, die von Zeit zu Zeit aus seiner Spitze schoß.

Als wir am 10. dachten, alles sei vorüber, wurde der Berg wieder sehr heftig, knurrte und brüllte äußerst fürchterlich. Man kann sich von diesem Getöse bei seinen heftigsten Ausbrüchen keine bessere Vorstellung machen als dadurch, daß man sich einen Lärm vorstellt, der aus dem Toben eines Sturmes, dem Rumoren einer unruhigen See sowie dem Krachen von Donner und Geschützen zusammengemischt ist. Es war sehr schrecklich, als wir es am letzten Ende von Neapel, in einer Entfernung von etwa zwölf Meilen, hörten. Das reizte meine Neugierde, mich dem Berg zu nähern. Drei oder vier von uns 182 bestiegen ein Boot und setzten über nach Torre deI Greco, einer Stadt, die am südwestlichen Fuße des Vesuv liegt. Von dort ritten wir vier oder fünf Meilen, bis wir an den brennenden Fluß kamen. Das war um Mitternacht. Das Krachen des Vulkans wurde, als wir näher kamen, immer lauter und fürchterlicher. Ich

beobachtete eine Mischung von Farben an der Wolke über dem Krater: grün, gelb, rot, blau. Es gab auch ein schaurig rötliches Licht in der Luft über der Gegend, wo sich der brennende Fluß ergoß. Auf dem ganzen Weg von der Küste her regnete ständig Asche auf uns herab. All diese Umstände, hervorgehoben und verstärkt durch den Schrecken und das Schweigen der Nacht, erzeugten die ungewöhnlichste und erstaunlichste Szene, die ich je sah. Sie wurde noch ungewöhnlicher, als wir näher an den Strom kamen. Man stelle sich einen großen Strom von flüssigem Feuer vor, der vom Gipfel den Hang des Berges hinabfließt und mit unwiderstehlicher Gewalt Weinberge, Oliven- und Feigenbäume, Häuser, kurz : alles, was in seinem Wege steht, niederwalzt. Dieser mächtige Fluß teilte sich in verschiedene Arme entsprechend den Unebenheiten des Berges. Der größte Strom schien mindestens eine halbe Meile breit und fünf Meilen lang zu sein. Die Natur und Konsistenz dieser brennenden Flüsse wurde von BORELLI in seinem lateinischen Traktat über den Berg Ätna mit solcher Exaktheit beschrieben, daß ich nicht mehr darüber sagen muß. Ich ging soweit vor meinen Begleitern den Berg hinauf, das Ufer des Feuerstroms entlang, daß ich in großer Eile umkehren mußte, weil mich der Schwefelstrom überraschte und mir fast den Atem nahm. Während unserer Rückkehr, die etwa um drei Uhr morgens erfolgte, hörten wir ständig das Rumoren und Krachen des Berges, das von Zeit zu Zeit in lauteres Donnern ausbrach, während große Feuerfontänen und brennende Steine emporgeschleudert wurden, die beim Herunterfallen wie bei uns die Sterne in den Raketen aussahen. Manchmal beobachtete ich zwei, ein andermal drei verschiedene Feuersäulen und manchmal nur eine große, die den ganzen Krater auszufüllen schien. Diese brennenden Säulen und die feurigen Steine schienen tausend Fuß senkrecht über die Spitze des Vulkans emporgeschossen zu werden.

Am 11. beobachtete ich in der Nacht von einer Terrasse in Neapel aus, daß ständig ein ungeheurer Feuerkörper und große Steine in eine erstaunliche Höhe emporgeschleudert wurden. Am Morgen des 12. wurde die Sonne mit Asche und Rauch verdunkelt, was eine Art von Sonnenfinsternis verursachte. An diesem und am vorangehenden Tag hörten wir in Neapel, wohin auch Teile der Asche gelangten, ein fürchterliches Donnern. In der Nacht beobachtete ich, daß eine Flamme, wie am 11 ., emporschoß.

Am 13. drehte der Wind. Wir sahen, daß eine schwarze Rauchsäule bis zu einer ungeheuren Höhe emporschoß. In der Nacht beobachtete ich - wenn auch wegen des Rauchs nicht so deutlich - , daß der Berg wie vorher Feuer emporschoß. Am 14. war für Neapel der Berg durch eine dicke schwarze Wolke verborgen.

Am Morgen des 15. waren der Hof und die Mauern unseres Hauses in Neapel mit Asche bedeckt. Am Abend war ein Feuerschein durch die Wolke hindurch auf dem Berg zu sehen. Am 16. wurde der Rauch durch einen Westwind von der Stadt auf die entgegengesetzte Seite des Berges getrieben. Am 17. erschien der Rauch viel geringer, breit und verschmiert. Am 18. endete die ganze Erscheinung. Der Berg blieb völlig ruhig, ohne daß man irgendeinen Rauch oder eine Flamme sehen konnte. Ein mir bekannter Herr, dessen Fenster zum Vesuv hin blickte, versicherte mir, er habe in dieser Nacht verschiedene Blitze wie bei einem Gewitter beobachtet, die aus der Öffnung des Vulkans hervorkamen. Es ist nicht der Rede wert, Sie mit den Vermutungen zu belästigen, die ich mir über die Ursache dieser Phänomene angestellt habe aufgrund dessen, was ich in Lacus Amsancti 183, am Solfatara usw. wie auch am Vesuv beobachtet habe. Nur eines möchte ich mir erlauben zu sagen: Ich sah, daß die flüssige Masse aus dem Zentrum des Kraterbodens emporstieg, genau aus der Mitte des Berges, im Gegensatz zu dem, was BORELU 184 sich vorstellte. Dessen Methode zur Erklärung eines Vulkanausbruchs mit Hilfe eines gebogenen Siphons und der Regeln der Hydrostatik ist auch damit unverträglich, daß der Lavastrom genau von der Spitze des Berges herunterfließt. Ich habe den Krater seit dem Ausbruch nicht mehr gesehen, plane aber, ihn noch einmal vor meiner Abreise aus Neapel aufzusuchen. Ich hege den Zweifel, daß es in all dem nichts gibt, was wert ist, der [Royal] Society gezeigt zu werden. Sie können aber frei darüber verfügen.”

180 Philosophical Transactions, OCL 1717 (Works, IV, pp. 247 - 250). 181 D. h. Dr. med. und Sekretär der Royal Society. 182 Diese Angabe ist merkwürdig ungenau.

183 = Mufiti, ein kleiner Ort in der Nähe von Frigento (Campania). 184 G. A. BORELLI, Hisloria el meleorologia incendii Aelnaei anni 1669. Regio Julio 1670, cap. 13.

(Zitiert bei W. Breidert, George Berkeley,1989, 153-157)

 

J.J. Rousseaus Schilderung einer Bergbesteigung in seiner Nouvelle Heloise (Teil I, XXIII) gipfelt in der berühmten, wenn auch halb ironisch gehaltenen Behauptung, daß der Mensch gut sei.

 

Bei einem Abstecher nach Neapel bestiegen G.E. Lessing und sein braunschweigischer Prinz den gerade aktiven Vesuv, alles unter Führung von Sir William Hamilton (1775).  (Hugh Barr Nisbet, Lessing. Eine Biographie, München: Beck 2008, 592; vgl. Lea Ritter Santini, Hg., Eine Reise der Aufklärung. Lessing in Italien 1775, 2 Bde., Wolfenbüttel 1993,I 266-277; Walter Deeters, Des Prinzen Leopold von Braunschweig Italienreise. Ein Beitrag zur Lessing-Biographie, in: Braunschweigisches Jahrbuch 52,  1971, 140-162, hier 154)

 

G. C. Lichtenberg kraxelte wiederholt auf die Spitze des Hainberges auf dem Wege zum Kerstlingeröder Feld (Höhenunterschied 200 m auf 3 km), z.B.  am 15.7.1770. Durchaus erstaunlich für den von medizinischer Seite aus nicht gerade gesunden Lichtenberg! (Horst Gravenkamp, Geschichte eines elenden Körpers. Lichtenberg als Patient, Göttingen: Wallstein 1989, 37.) Bis 1778 sind seine Ersteigungen des Göttinger Hainberges belegt, wo er seine Drachenversuche zur Untersuchung der Luftelektrizität durchführt. (Lichtenberg, Briefe an Schernhagen 31.3.1776, 30.7., 3.8. 1778; vgl. Gravenkamp S. 52)

 

10. Dez. 1777  Goethe auf dem Brocken, im Winter damals ein fast lebensgefährliches Unterfangen. (Brief an Merck im Aug. 1778; vgl. dazu die Schilderung Heines in seiner Harzreise; den Brocken im Winter zu besteigen war durchaus ein Wagnis, s. Peter Matussek, Goethe zur Einführung, Hamburg: Junius 1998, S. 101f.) Allein auf dem sagenumwobenen Berg will er sich über seine Lebenssituation klar werden; er hoffte auf ein Götterzeichen. Beim Abstieg glaubte er sich in eine Feenwelt versetzt. (Zur Farbenlehre. Didakt. Teil, § 75)

 

Goethe bestieg den Monte Rosso in Sizilien, er sah den schneebedeckten Gipfel des Ätna (1787). Dreimal besuchte Goethe die Schweiz, auf jeder Reise bestieg er den St. Gotthard (1775, 1779, 1797). (Egon Freitag, Goethes Alltags-Entdeckungen. Das Volk interessiert mich unendlich, Leipzig 1994, bes. 175, 180, 182, 186; vgl. Peter Matussek, Goethe zur Einführung, Hamburg: Junius 1998, S. 85)

 

Am Fuß des Gotthards, in Uri, entsteht am 1. Okt. 1797 ein Gedicht (War doch gestern dein Haupt noch so braun...), am 3. Okt. ist er mit Johann Heinrich Meyer auf der Paßhöhe; Pater Lorenzo ist noch immer, wie vor 20 Jahren, Herbergsvater hier oben. Er bewirtet die Wanderer. Dann Abschied und Umkehr. Den Weg zurück, in den eigenen Fußspuren im Schnee, so ist es leichter. Nach einigen Tagen gelangt man wieder zum Ausgangspunkt, nach Stäfa am Zürichsee. (Goethe, Werke, Weimar 1887-1919, III, 2, 174; zit. bei Rüdiger Safranski, Goethe & Schiller. Geschichte einer Freundschaft, München: Hanser 2009, S. 201f.)

 

Er genoß den 82. Geburtstag mit den beiden Enkeln in Ilmenau, wo er am 27. Aug. auf den Kickelberg fuhr, wo “ich auf einem einsamen Bretterhäuschen des höchsten Gipfels” die Inschrift vom 7. Sept. 1783 recognoszierte: Über allen Gipfeln ist Ruh. (Brief an Zelter, G.Br. 4, 442; vgl. Dorothea Hölscher-Lohmeyer, Johann Wolfgang Goethe, München: Beck 1991, S. 127)

 

1790 reisten Goethe und Carl August durch die Grafschaft Glatz, weitr bis Krakau und Tschenstochau; in Tarnowitz sah er die erste Dampfmaschine Europas in Tätigkeit; auf der Rückreise, bei der sich der Herzog in Breslau von Goethe trennte, bestieg Goethe allein noch am 13. September 1790 “bei klarem Wetter” die Schneekoppe, den höchten Berg des Riesengebirges, kehrte dann über Dresden nach Weimar zurück. (Dorothea Hölscher-Lohmeyer, Johann Wolfgang Goethe, München: Beck 1991, 66)

 

1787 bestieg der Naturforscher Horace Bénédict de Saussure (1740-1799), Naturforscher aus Genf, als zweiter den Montblanc, beherzt und wagemutig, allen Warnungen zum Trotz, im langschößigen Rock, mit Stulpenstiefeln und hohem Hut und als Ausrüstungsstück lediglich eine 3 - 4 m lange Stange, auf die man sich stützen konnte und die von mehreren Führern wie ein Geländer gehalten wurde, um an gefahrvollen Stellen vor dem Sturz in den Abgrund zu bewahren. Er bestimmte den Berg barometrisch als höchsten Europas. Über die Besteigung des Montblanc (Voyages dans les Alpes, 4 Bde. 1779-96, IV, p. 327): "... es kam mir vor, als wenn ich das ganze Weltall überlebt hätte und nun seinen Leichnam zu meinen Füßen ausgestreckt sähe."

 

1798 - vermutlich - bewältigt Heinrich von Kleist den Brocken im Harz, darüber schreibt er in einem Aufsatz an Rühle von Lilienstern. (Thea Dorn, Richard Wagner, Die deutsche Seele, Albrecht Knaus: 2011, 298)

 

Als Alexander von Humboldt 1801 den Chimborazo erstieg (er kam nur auf 5.900 von 6.300 Meter Höhe), da war er höher gewesen als je ein Mensch zuvor. Der Ruhm gebührte bis dahin Saussure, der den Montblanc, den höchsten Berg Europas, erstiegen hatte. (Dazu Störig, Gesch. der Wissenschaften, 449)

 

Obwohl der Naturforscher den Gipfel jenes Berges, der damals weltweit als der höchste galt, nicht ganz erreichen konnte, war er auf diese Leistung besonders stolz: «Ich habe mir mein Leben lang etwas darauf eingebildet», schrieb er später, «unter den Sterblichen derjenige zu sein, der am höchsten in der Welt gestiegen ist . . .» Die Chimborazo-Besteigung und eine Reihe ähnlicher Unternehmungen, die mit Höhenmessungen, der Sammlung von Gesteinsproben und der Feststellung der Vegetationsstufen sorgfältig dokumentiert wurden, markieren den Beginn der modernen Vulkanismus-Forschung und Pflanzengeographie.

 

Zu Bergbesteigungen des jungen Schopenhauer auf seiner Europareise (1803 /04), s. R. Safranski, Schopenhauer und die wilden Jahre 1990, 81ff. Er erklomm den Pilatus und die Schneekoppe. (Karl Pisa, Schopenhauer. Kronzeuge einer unheilvollen Welt, Wien Berlin: Neff 1977, 115)

 

Ludwig Feuerbach unternahm Sommer 1845 eine Rheinreise, besuchte das Berner Oberland und Luzern, bestieg den Rigi und weilte Zürich.

 

1845 bereiste Adalbert Stifter das Salzkammergut und besuchte in Hallstatt Friedrich Simoney, den großen Naturforscher und Alpinisten. Dieser hatte als erster den Dachstein bestiegen und ausführliche Gletscherforschungen betrieben; in Hallstatt und bei einem Spaziergang am Waldbachstrub wurde Stifter zu der bezaubernden Erzählung 'Bergkristall' angeregt. Simoney hatte ihm eindringlich den Gletscher geschildert und verschiedene seiner bemerkenswerten Zeichnungen gezeigt. (Heinz Biehn u. Johanna Baronin Herzogenberg, Hgg., Große Welt reist ins Bad. Nach Briefen, Erinnerungen und anderen Quellen zur Darstellung gebracht. München: Prestel 1960, 291)

 

Etwa Sept. 1870 bestieg Charles Sanders Peirce, von Kalabrien kommend, nach Rom weiterreisend, den Ätna. (Klaus Oehler, Charles S. Peirce, München: Beck 1993, 18)

 

Unbedingt gehört hier auch Friedrich Nietzsche erwähnt; schwanger mit seinem Zarathustra wähnt er sich 6000 Fuß über der gewöhnlichen Welt. "Anfang August 1881 in Sils-Maria, 6000 Fuss über dem Meere und viel höher über allen menschlichen Dingen! –" (Vgl. Ecce Homo 4 und Nachlaß)

 

Aug. 1881 kam ihm die Grundkonzeption des Werkes, der Gedanke der ewigen Wiederkehr des Gleichen, bei einem Spaziergang am See von Silvaplana im Oberengadin, 6000 Fuß jenseits von Mensch und Zeit, in der Nähe von Sils-Maria. (G. Vattimo, Friedr. Nietzsche 1992, 58; zu Nietzsche als Bergsteiger, s. Werner Ross, Der ängstliche Adler. Friedrich Nietzsches Leben, München: dtv 1994, 2. Aufl., 408f.: Nietzsche am Pilatus, ebd. 436; Grindelwald, ebd. 529; 7200 Fuß über dem Meeresspiegel, Brief an Köselitz Jan. 1879; die Bergzuflucht auf dem Grindelwald, 538; 6000 Fuß s. 577; ob Nietzsche Lou auf dem Monte Sacro geküßt habe? 616)

 

Martin Heidegger und das einfache Leben in seiner Berghütte hat Safranski beschrieben. (Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, Frankfurt /M. 1997)

 

In W. O. Quines Autobiographie werden mehrere Bergbesteigungen erwähnt, z.B. 1936 die des Katahdin, Neuengland, eine acht-Stunden-Tour. (W.v.O. Quine, The Time of My Life, An Autobiography, Cambridge, Mass./London 1985, 124)