Kontakt: juergen.rixe@yahoo.de

 

 

Philosophie im Garten

 

 

a) Epikur

 

Im Jahr 306 v. Chr. wagte Epikur den Sprung von der Provinz nach Athen, wohin ihn ein erheblicher Teil seiner Schüler begleitete. Athen bot das beste und größte philosophische Publikum, hier nur konnte Epikur seiner Lehre eine überregionale Bedeutung verschaffen. Epikur erwarb in Athen für 80 Minen ein Gartengrundstück, auf dem er seine Schule errichtete, und nach diesem wurde die Schule als "der Garten" (gr. der Kepos) benannt.

 

Bemerkenswert an der Organisation der Schule war, daß der Besitz der Schüler Privatbesitz blieb; es gab kein gemeinsames Schulvermögen. Die Schüler mußten sich nicht "einkaufen", sondern blieben wirtschaftlich selbständig. Epikur setzte ganz auf die Macht gegenseitigen Vertrauens und der Freundschaft.

 

Weiterhin ist bekannt, daß auch Frauen als Schülerinnen im Kepos zugelassen waren. Die in Athen bei Epikur praktizierte Gleichberechtigung der Frau galt auch schon in Lampsakos; auch Hetären waren zugelassen, die überhaupt oftmals über eine gehobene Bildung verfügten, und sich häufig den Epikureern anschlossen. Etwa ein Dutzend Namen von Frauen sind überliefert, die dem "Garten" angehörten. Fast noch erstaunlicher ist, daß sogar auch Sklaven als Hörer und Schüler in Epikurs Schule zugelassen waren. Arm und reich war im Kepos vertreten, übrigens auch Adlige.

 

Im Kepos wurden die epikureischen Kernsätze auf prägnante Formeln gebracht und in Spruchsammlungen zusammengestellt, die die Schüler auswendig lernten. Diese schworen Epikur zu gehorchen und nach seinen Vorschriften zu leben. Epikurs Lehren wurden also nicht diskutiert, sondern sie wurden angenommen und gelebt. Der Kepos war keine Diskutier-, sondern vor allem eine Lebensgemeinschaft.

 

Epikur galt im Kreise seiner Schüler als ein Weiser und als lebendiges Vorbild; er lehrte nicht nur seine Philosophie, sondern lebte sie in vorbildlicher Weise (zumindest galt dies von ihm)! Epikur wurde von seinen Schülern wie ein Gott verehrt. Das belegt eine Anekdote, die von einem Anhänger namens Kolotes berichtet wird. Während einer naturphilosophischen Vorlesung habe Kolotes sich plötzlich vor ihm niedergeworfen und seine Knie umschlungen, um nach Art der asiatischen Proskynese (das sich Niederwerfen auf Brust und Angesicht) Epikur als einem Gott seine Verehrung kundzutun.

Tatsächlich gab es im Kepos einen Kult um Epikur als einen Weisen, aber Epikur wollte leben "wie" ein Gott, jedoch nicht als ein angeblicher Gott verehrt werden. Respekt ja,  Proskynese nein! Wie erwiderte Epikur nun die Verehrung des Kolotes? Indem er mit gleicher Münze heimzahlte: Er machte die Proskynese vor dem vorbildlichen bzw. allzu vorbildlichen Schüler.

 

 

b) Ficino

 

Schon als 23jähriger (1456), damals noch ohne Griechischkenntnisse, verfaßt Ficino  ein heute verlorenes Werk über Platon. Der Humanist Cristoforo Landino und auch Cosimo de’ Medici nehmen Kenntnis von dieser Schrift, aber raten von einer Veröffentlichung ab, jedoch überzeugten sie sich von der philosophischen Begabung des jungen Mannes. Cosimo fordert Ficino auf, Platon im Original zu studieren. Hier kann man recht deutlich eines der großen Schlagwörter der Renaissance, ad fontes (zu den Quellen), vernehmen.

 

Ficino wird der Aufforderung Folge leisten und studiert in den nächsten Jahren fleißig das Griechische. Damit war Ficinos Laufbahn als führender Platon-Experte vorgezeichnet, doch gleichzeitig hatte Cosimo die Fron des Medizin-Studiums von ihm genommen. Denn seine Aufforderung zum Platon-Studium galt als Befehl!

 

1462 richtete Cosimo für Ficino und seine Studien eine Villa in Careggi bei Florenz ein, dazu gehörte etwas Landbesitz und vor allem ein schöner Garten. Diese Villa wurde der Sitz der neuen “Platonischen Akademie” von Florenz. Ideengeber für dieses Projekt war Gemistos Plethon, der einige Jahre zuvor in einem Ort bei Sparta selbst eine Akademie im Geiste Platons gegründet und geführt hatte.

 

Cosimo hat diese Idee einer Neugründung der “Platonischen Akademie” gut gefallen, und er sah in Ficino denjenigen, der für ihre Verwirklichung sorgen könnte. Gemistos Plethon sowie die anderen Exilanten, die damals Byzanz vor der drohenden Eroberung durch die Türken verließen, waren es, die den originalen griechischsprachigen Platon nach Italien brachten. - Neben Übersetzungen aus dem Arabischen waren nur vier Dialoge Platons seit den Tagen der Antike tradiert worden: Phaidon, Phaidros, Menon und Timaios.

 

Die neue “Platonische Akademie” Ficinos verstand sich als Gemeinschaft der freien Künste und vereinte Humanisten, Philosophen, Künstler, Dichter, Musiker, Ärzte, Astronomen und Mathematiker. Zu den illustren Mitgliedern zählten Cristoforo Landino, Leon Battista Alberti, Giovanni Cavalcanti, Angelo Poliziano, Leone Ebreo sowie Pico della Mirandola. Ficino sah seine Hauptaufgabe in der Übersetzungstätigkeit und damit im Zugänglichmachen der griechischen Originaltexte, nämlich durch Übertragung ins Lateinische.

 

Schon 1463, ein Jahr nach der Gründung der Akademie, hatte Ficino zehn platonische Dialoge übersetzt, die er Cosimo kurz vor dessen Tod noch präsentieren konnte. Die gesamte Übersetzung Platons war ca. 1469 abgeschlossen, der erste Druck erfolgte 1484. Ficino übersetzte zahlreiche weitere Autoren, z.B. Dionysius Areopagita, Jamblich, Athenagoras, usf. Herausragend ist seine Übertragung der Werke Plotins, Begründer des Neuplatonismus, die er 1484 begann und 1486 abschließen konnte, gedruckt 1492 zusammen mit seinen Kommentaren.

 

 

 

c) Machiavelli

 

Nicht nur die Medici, auch die florentinische Familie der Rucellai stellte einigen Philosophen einen Garten zur Verfügung: eine Gruppe von Humanisten und “literati” traf sich regelmäßig in Cosimo Rucellais Garten am Rande von Florenz, um gelehrte Konversation und Unterhaltungen zu führen. Eine prominente Rolle dort spielte Niccolo Machiavelli (nach 1512, dem Jahr seiner Entlassung), der aber im Grunde sich nicht zugehörig fühlte und glaubte, seine Zeit “in Muße auf dem Lande” nur zu vertrödeln.

 

In den “Orti Oricellari” wurden nicht nur litarische Diskussionen geführt, viele der Werke Machiavellis wurden vorgetragen und diskutiert. In seiner “Kriegskunst” läßt Machiavelli einzelne Gartenfreunde als Dialogpartner auftreten. Quentin Skinner, Machiavelli zur Einführung, Hamburg: Junius 2001 (zuerst 1981), S. 76, s.a. 77.

 

Einzelne Mitglieder des Kreises wagten 1522 eine Verschwörung gegen die Medici. Ebd. S. 77.

 

 

d) Morus

 

Peter Gillis (auch: Petrus Ägidius, 1486-1533), Stadtschreiber Antwerpens, besaß ein Haus, das als intellektuelles Zentrum der Stadt bekannt war. In seinem Garten schreib Thomas Morus die Urform des 2. Buches seiner Utopia; Morus widmete Gillis sein Buch! Hans Peter Heinrich, Thomas Morus mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1984, 69.

 

e) Voltaire

 

Voltaires “Candide” endet mit einem berühmten Satz: Es ist nötig, daß jeder seinen Garten bestelle! (Il faut cultiver notre jardin.) Das wurde überaus anspruchsvoll-hochtrabend gedeutet als “die praktische Moral der menschlichen Solidarität in einer im ländlich-idyllischem Bereich entstehenden Gemeinschaft von Arbeitenden”. R. Schwaderer, V., in: F. Volpi, Hg., Großes Werklexikon der Philosophie, Bd. 2, Stuttgart: Kröner 1999, S. 1546.

 

Seinen Garten bestellen, das heißt vielmehr ganz einfach: Sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, voller Engagement, verantwortungsbewußt und ohne lieblose Gleichgültigkeit. Sich um jene Dinge, die einen angehen, zu kümmern, das ist das Resümee der Voltaireschen Lebensauffassung!