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Der Philosoph im Duell


Im Frühjahr 1486 ereignete sich in Arezzo das einzige bekannte erotische Abenteuer des Giovanni Pico della Mirandola; er entführte Margherita de’ Medici, ob mit oder ohne Ihre Zustimmung ist unklar. Die junge Dame wurde ihm aber von einem anderen Mann wieder abgejagt, Pico wurde im Kampf verwundet. Von weiteren amourösen Beziehungen Picos ist nichts bekannt; er verbrachte sein Leben, wie auch Marsilio Ficino, ehelos. Engelbert Monnerjahn, Giovanni Pico della Mirandola. Ein Beitrag zur philosophischen Theologie des italienischen Humanismus, Wiesbaden: Franz Steiner 1960, 159.

Ein notorischer Duellant soll Herbert von Cherbury (1583 - 1648), der Religion nur noch als Vernunftsinstitution verstanden wissen wollte, gewesen zu sein. Seine Autobiographie legt nahe, daß er sein Rittertum mit dem Ernst eines Don Quijote praktiziert hat; seine Berichte über Duelle scheinen jedoch eher Produkte einer kühnen Phantasie zu sein. Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts, Band 3, England.
Hgg. von J.-P. Schobinger, Basel 1988, 225; The National Dictionary, founded in 1882 by George Smith, ed. by Leslie Stephen and Sidney Lee, Vol. IX, 1891, 624-631. Zumindest soll er den Gouverneur von Lyon, der ihn wegen Werbung von Kriegsleuten kurzzeitig inhaftieren ließ, zum Duell gefordert haben, was aber durch Vermittlung des Herzogs von Montmorency verhütet werden konnte. Gotthard Victor Lechler, Geschichte des englischen Deismus, zuerst 1841, Reprint Hildesheim: Olms 1965, 28.

Tycho Brahe fühlte sich zu einer Duellforderung veranlaßt, weil ein Gegner Zweifel an seinen astronomischen Forschungen äußerte; eine erhebliche Nasenverletzung, die er sich bei dem Zweikampf zuzog, versuchte er durch eine metallische Prothese auszugleichen.

Francisco de Quevedo y Villegas (1580 - 1645), spanischer Vertreter des neuzeitlichen Stoizismus, mußte wegen eines Todesfalles in einem Duell wegen einer Frau 1611 nach Sizilien zu fliehen; dort trat er in den Dienst des Herzogs von Osuna, in dem er sich als geschicker Diplomat erwies. In Venedig arbeitete er als Geheimagent, doch nach dem Scheitern einer angezettelten Verschwörung mußte er als Bettler verkleidet aus der Stadt fliehen, fiel beim Herzog in Ungnade und wurde aus Sizilien verbannt.

René Descartes war wiederholt in Duelle verwickelt, über die Fechtkunst soll er sogar eine Abhandlung verfaßt haben. Rainer Specht, Descartes, Reinbek: Rowohlt 1966, 13 u. 22.

Cyrano de Bergerac (1619 - 1655), durch das Drama Rostands bekannt geworden, ein Zuhörer von Gassendi und Anhänger des Descartes, heftiger Kritiker des Aristoteles, war ein berühmt-berüchtigter Duellheld und Libertin.

Blaise Pascal sollte als Sekundant an einem Duell teilnehmen; auf dem Wege dahin, die Straßen waren vereist, brach er sich ein Bein. Durch die ihn behandelnden Ärzte bekam er in Kontakt mit dem Jansenismus. Jacques Attali, Blaise Pascal. Biographie eines Genies, Stuttgart: Klett-Cotta 2006 (zuerst 2000), S. 98.

Der Cartesianer D. Francois Lamy (1636 - 1711) tötete bei einem Duell seinen Gegner; er selbst war durch ein Exemplar der "Benediktinerregel", das er mit sich geführt hatte, gerettet worden; er trat 1659 in die Benediktinerkongregation Saint - Maur von Saint - Rémi in Reims ein, wurde zum Subprior in Meaux ernannt, zog es dann aber vor, als „einsamer Büsser” in dem nahe gelegenen Saint-Basle zu leben. Lit. Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts, Band 2. Frankreich und Niederlande. Zweiter Halbband. Hgg. von Jean-Pierre Schobinger, Basel 1993, 797.

Saint - Évremond (1614 - 1703), französischer Moralist und Kritiker, Theoretiker der Honnêteté, schlug zunächst die militärische Laufbahn ein und brachte es 1652 bis zum Brigadegeneral; er führte das rauhe Leben der Soldaten und war auch in Duelle verwickelt. Später wurde er aus Frankreich verbannt, lebte in Holland und England.

Weil Domestiken des Chevalier de Rohan Voltaire verprügelt hatten, forderte er den Chevalier zum Duell. Einem Unglück vorbeugend veranlaßte die Familie Rohans die Arretierung Voltaires in der Bastille. Georg Holmsten, Voltaire, Reinbek: Rowohlt 1971, 35.

In einer Schrift hat sich J.J. Rousseau ausdrücklich für die italienische und gegen die französische Oper ausgesprochen. Aus Ärger über diese Äußerung, die als Provokation verstanden wurde, drohten ihm Mitglieder des Orchesters der Pariser Oper Prügel an, einige wollten ihn sogar zum Duell fordern. Georg Holmsten, Jean-Jacques Rousseau, Reinbek: Rowohlt 1972, 76.

Das akademische Halblicht, Johann Ernst Philippi (~1700 - 1758), seit 1731 außerordentlicher Professor für Beredsamkeit in Halle, ein wissenschaftlicher Scharlatan, der zugleich über die hohe Kunst verfügte, es sich mit jedermann zu verderben, mußte 1729 wegen eines Duells aus Merseburg fliehen. (ADB 26, 1888, 76).

1739/40 erschien David Humes Hauptwerk, der Treatise of Human Nature, in London. Eine ungerechte Besprechung des Buches verärgerte ihn derart, daß er in einem plötzlichen Wutanfall mit gezücktem Schwert in das Büro des Herausgebers der betreffenden Zeitschrift stürmte, um Genugtuung zu fordern. "Aber Jacob Robinson  war nicht bereit, für seinen Rezensenten den Märtyrertod zu sterben und versteckte sich hinter dem Schreibtisch; der wütende, sichtlich von  violent passions geplagte Philosoph soll sich daraufhin rasch wieder beruhigt haben." G. Streminger, David Hume. Sein Leben und sein Werk, Paderborn u.a.: Schöningh 1994 2. Aufl., S. 201; Gerhard Streminger. David Hume. Der Philosoph und sein Zeitalter. Eine Biographie, München: Beck 2011, 178.

Casanova schoß 1766 seinem Gegner in den Bauch und konnte, selbst getroffen, über ein Jahr lang seine verletzte linke Hand nicht gebrauchen. (Schultz 69ff., s.u.)

Als Immanuel Kant Mitte der 1770er Jahre in einer Gesellschaft in Königsberg seine Sympathie für den Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonien bekannte, forderte ihn ein englischer Kaufmann, Joseph Green, wutentbrannt zum Duell heraus. Daraufhin vertrat Kant seine Position so eloquent, daß er nicht nur das Duell ab-, sondern die Meinung des anderen umzuwenden vermochte. Dieser andere war Joseph Green, der in der Folge zu Kants engstem Freund wurde. Arnulf Zitelmann, Nur daß ich ein Mensch sei. Die Lebensgeschichte des Immanuel Kant, Weinheim und Basel: Beltz 1996, 142.

"Wie fleißig hier die Studenten bei Ihrer Kritik der reinen Vernunft sind, können Sie daraus entnehmen, daß vor einigen Wochen sich ein Paar Studenten duelliert haben, weil einer dem anderen gesagt, er verstünde Ihr Buch nicht..." Der Herausgeber der Jenaer Allgemeinen Literaturzeitung in einem Brief an Kant, zit. bei Zitelmann, a.a.O. 182. Gulyga schreibt, der eine Student habe behauptet, man müsse, um die "Kritik" richtig zu verstehen, auf der Universität mindestens dreißig Jahre studieren; darauf habe ihn ein zweiter zum Duell gefordert. Arsenij Gulyga, Immanuel Kant, Frankfurt: Suhrkamp 1985, 177. - Kant forderte übrigens für Tötungen im Duell die Todesstrafe!

Friedrich von Hardenberg, später als Novalis bekannt und berühmt, soll sich in seiner Studienzeit in Jena (1790-1791) wiederholt duelliert haben. Hädecke hält das nur für ein Gerücht, was Friedrich Schlegel kolportierte. Offenbar hält er Novalis für zu sensibel für die damals üblichen Rohheiten unter Studenten. Aber warum soll nicht auch ein Novalis seine wilde Zeit gehabt haben? Safranski jedenfalls nennt den jungen Novalis schwerenöterisch, der damals mit seinem Studium auch nicht recht voran kam. Wolfgang Hädecke, Novalis. Biographie. Darmstadt 2011, 62; Rüdiger Safranski, Romantik. Eine deutsche Affäre. München: Hanser 2007, 113; Gerhard Schulz, Novalis, Reinbek 1969, 35.

Der amerikanische Politiker Alexander Hamilton, Pamphletist, brillanter antibritischer Redner und Aspirant auf den Präsidentenstuhl, wurde 1804 bei einem Duell von einem politischen Gegner erschossen. (Schultz 119ff.)
Ernst Moritz Arndt duellierte sich 1806 mit einem Schweden, der "ein schlechtes Wort über das dt. Volk" fallenließ. Eine Pistolenkugel verletzte Arndt, mehrere Monate laborierte er an den Folgen dieses nationalen Opfers. E.M. Arndt, Erinnerungen 1769-1815, Berlin 1985, 123.

Als Rektor der Universität in Berlin bekämpft Fichte das Unwesen der studentischen Verbindungen. Der lächerliche Kultus  akademischer Biersauferei und die gestelzten Vorstellungen von Ehre mit ihren sogenannten Ehrenhändeln, unter den Opfern Verletzte und Todesopfer, ist für Fichte grundsätzlich ablehnenswert, während seine Kollegen Schelling (in Jena) und Schleiermacher (in Berlin) die studentischen Verbindungen verteidigen. Als nun 1811 ein Student eine Duellforderung anzeigt, ohne ihr gefolgt zu sein, dann aber selbst härter bestraft wird als der Duellforderer (man will ihn als Feigling abstrafen), und Fichte als Rektor daran nichts ändern kann, legt er sofort sein Amt nieder. Schleiermacher nahm diese Art von universitärer Rechtsprechung hin und sah die Duelle als eine althergebrachte Einrichtung studentischen Lebens an. Wilhelm G. Jacobs, Johann Gottlieb Fichte, Reinbek 1984, 121ff.; R. Safranski, Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie 1990, 187f.

Theodor Körner, in den Befreiungskriegen eine der Symbolgestalten antinapoleonischen Engagements, ließ sich 1810 in Leipzig immatrikulieren, mußte aber schon ein Jahr darauf wegen Verstoßes gegen das Duellverbot heimlich, um der drohenden Untersuchungshaft zu entgehen, aus der Stadt fliehen. (ADB 16, 1882, 715f.)

Heinrich von Kleist übersandte 1811 dem Staatskanzler Hardenberg eine Duellforderung, nach dem Ruin der “Berliner Abendblätter” und kurz vor seinem Freitod, die dieser aber ignorierte.

Im Mai 1815, während noch der Wiener Kongreß tagte und der Frieden nichts weniger als gesichert war, hatte Wilhelm von Humboldt, der Vertreter  Preußens bei den Verhandlungen, doch Zeit für einen privaten Ehrenhandel, nämlich mit seinem preußischen Kollegen Hermann von Boyen. (Schultz 156ff.)

Gustav Asverus 1798 - 1843 Gehörte dem Kern der Anhängerschaft Hegels an; Sohn eines mit Hegel befreundeten Rechtsanwalts, Student, radikaler Burschenschaftler, findet in Berlin zur Hegelschen Philosophie. A. studierte in Jena und Heidelberg, folgte Hegel nach Berlin. Er wurde 1821 in Jena promoviert; darauf zunächst Rechtsanwalt, ab 1832 a.o. Professor der Rechtswissenschaften in Jena. Am 18. April 1819 hatte Asverus eine 14tägige Karzerhaft wegen eines Duells in Jena anzutreten; in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli desselben Jahres wurde er noch einmal, diesmal im Zuge der Demagogenverfolgung, festgenommen. Lit. Horst Althaus, Hegel und Die heroischen Jahre der Philosophie. Eine Biographie. München Wien: Hanser 1992, 318-21; Georg Biedermann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Köln 1981, 136, 139; Briefe von und an Hegel, 3 Bände, hrsg. v. Joh. Hoffmeister, Berlin 1970, Bd. 2, 435, 440f.; Rolf Hosfeld, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Preußische Köpfe, Berlin: Stapp 1988, 109f.

Karl Ulrich gehörte dem Kern der Anhängerschaft Hegels an; erst Fries-Schüler, dann begeisterter Hegelianer, standhafter Burschenschaftler und Turner; wegen seiner fixen Hand, bei jeder Gelegenheit blank zu ziehen, auch "Furioso" genannt; mit ihm steht Hegel nach seiner Maßregelung noch lange über Mittelsmänner in brieflicher Verbindung. Lit. Georg Biedermann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Köln 1981, 136; Jacques d’Hondt, Hegel in seiner Zeit (Berlin 1818 - 1831), Berlin 1973, 142.

1832 wurde der geniale Mathematiker Évariste Galois, noch keine einundzwanzig Jahre alt, bei einem Duell getötet. - Über sein ganzes Leben lang, von Studentenzeiten bis ins hohe Alter, duellierte sich der Schriftsteller und erfahrene Pistolenschütze Fürst Pückler-Muskau unzählige Male. (Schultz 219ff.)

Karl Marx und Theodor Lessing waren sich als Sozialisten nicht zu schade, ihre Feinde oder angebliche Beleidiger zum doch damals schon völlig unzeitgemäßen Zweikampf zu fordern, der Genugtuung für die sogenannte Ehre verschaffen sollte, aber doch eher einer gewissen Maßlosigkeit und Überheblichkeit Genüge verschaffen konnte. (Frevert 133, 192)

In seiner Bonner Studentenzeit hatte sich Marx einem Kreis von Studenten aus Trier und Umgebung angeschlossen,  die man häufig im Wirtshaus antraf, wo sie sich betranken, um sich anschließend mit anderen Studenten zu prügeln. Diese adoleszenten Aktionen hatten allerdings auch einen politischen Aspekt, denn die Trierer Studenten prügelten sich bevorzugt mit solchen aus preußischen Ostprovinzen. In einer Zeit politischer Unterdrückung äußerten viele Rheinländer ihre Unzufriedenheit mit der Preußenherrschaft. Marx wurde zu einem der Anführer der Trierer Gruppe gewählt, seine Rolle in den physischen Auseinandersetzungen gipfelte im Sommer 1836 in einem Säbelduell, in dem er die Ehre der "Mittelschicht-Rheinländer" (Sperber) gegen die Aristokraten aus dem Osten verteidigte. Jonathan Sperber, Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert, München: Beck 2013 (zuerst New York 2013), S. 50

Der Vater muß davon erfahren haben, erwähnt das Duell in einem Brief dieses Sommers und interpretiert es wohl auch zutreffend als  Furcht vor der Meinung des anderen. Fritz J. Raddatz, Karl Marx. Eine politische Biographie, Hamburg: Hoffmann & Campe 1975, 29; Francis Wheen, Karl Marx, aus dem Englischen übertragen v. Helmut Ettinger, München: Bertelsmann 2001 (zuerst London 1999), 28.

Während der langen siebenjährigen Verlobungszeit hatte Marx wiederholt Zweifel an der Treue von Jenny von Westfalen; wegen verleumderischer Behauptungen über diese Treue hätte er sich einmal beinahe duelliert.

Bei dem Gegner handelte es sich wohl um einen Berliner  Bekannten,Werner von Veltheim, ein Stiefvetter Jennys, der Karl mit einer Anspielung auf Jennys kurzes erstes Verlöbnis (vor Marx) verhöhnt hatte. Es bedurfte der vereinten Bemühungen Jennys, ihres Bruders Edgar und Eduard von Krosigks, des Vetter von Veltheims Verlobter (Edgar und Eduard waren mit beiden potentiellen Duellanten befreundet), um schließlich efolgreich zu verhindern, daß die beiden jungen Männer mit

Pistolen auf zwanzig Schritt gegeneinander antraten. Sperber, a.a.O., S. 57. 70

August Willich, Mitglied des "Bundes der Kommunisten", also ein Gesinnungsgenosse von Marx, forderte diesen am 1. September 1850 nach einem Streit. Siehe Raddatz a.a.O. S. 245; Wheen, a.a.O., S. 199. – Auch Marx scheute sich nicht, verschiedene Gegner wutentbrannt zum Duell zu fordern; es blieb aber jeweils bei der Forderung, die aber ihren Zweck der Einschüchterung erfolgreich erfüllten. Wheen, a.a.O., 228f., 231, 239f. – Sein Busenfreund Friedrich Engels war nicht anders geartet; in seiner brachialen Art, die sich auch in einem Boxkampf mit einem politisch andersdenkenden Handwerker manifestierte, dürfte er seinem und Marx‘ Anliegen nicht weitergeholfen haben. Jonathan Sperber, Karl Marx, a.a.O., S. 192.

Conrad Schramm, einer von Marx' Gefolgsleuten, forderte Willich schließlich zum Duell. In Belgien ausgetragen, weil in England Duelle verboten waren, endete die Schießeei damit, daß Schramm blutend zu Boden ging. Dabei hatte er das Glück, daß er das Pistolenduell mit einem Soldaten und erfahrenen Schützen wie Willich überhaupt überlebte. Jonathan Sperber, Karl Marx. a.a.O., S. 276

F. Junghuhn, bedeutender Ethnograph, mußte wegen eines ausgetragenen Duells untertauchen, wurde aber 1831 festgenommen und zu zehnjähriger Festungshaft verurteilt, aus der er 1833 während eines Genesungsaufenthaltes im Krankenhaus entkommen konnte, entfloh nach Südostasien und schrieb bedeutende naturkundliche Arbeiten über Java.

Als der Philosophiedozent Arnold Ruge die Frauenbewegung als eine Versammlung von kinderlosen "alten Mädchen, sterilen Frauen, Witwen und Jüdinnen" verspottet und damit auch Max Webers Frau Marianne beleidigt, eine führende Vertreterin der Frauenbewegung, schlägt Weber scharf zurück und versucht, Ruge zu einer Entschuldigung zu zwingen. Aufgrund der heftigen Reaktion Webers kommt es zu einem Gerichtsprozeß. Die Affäre weitet sich aus, als eine Zeitung berichtet, daß Weber eine Duellforderung Ruges mit dem Verweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand abgelehnt habe - eine ebenso infame wie ehrenrührige Behauptung. Weber, der in der Tat "jederzeit" zu einem Duell mit Ruge bereit gewesen wäre, diesen aber nicht für satisfaktionsfähig hielt, fordert von der Zeitung eine Gegendarstellung, die ihm jedoch unter Berufung auf einen anonymen Informanten "aus Universitätskreisen" verweigert wird. Lit. Andreas Anter, Ein Offizier und Gentleman, in: DIE ZEIT Nr. 34  13.08.1998.

Die russischen Schiftsteller A. Puschkin (1799-1837) und M. Lermontow (1814-1841) duellierten sich, jeder für sich, und kamen dabei ums Leben.

Heinrich Heine hatte 1841 seinen “Holmgang” mit Salomon Strauß und überlebte verwundet. Vor dem Duell heiratete er noch schnell in kirchlicher Trauung Mathilde Mirat. Als Student war Heine 1837 wegen eines Duells von der Universität verwiesen worden, besagte Mathilde gab den Anlaß für Heines Duellforderung. (Frevert 194; Schultz 184ff.)

 

In Bonn gehörte Friedrich Nietzsche der Burschenschaft "Franconia" an. Er besuchte eifrig den Fechtboden und, obwohl die Burschenschaft keinen Mensurzwang hatte, drängte es ihn auch, eine Partie auszutragen. Dafür entschied er sich für Wilhelm Delius, der ihm sympathisch war. Er ging mit  der liebenswürdigsten Geste auf ihn zu und forderte ihn auf, mit ihm "loszugehen", nämlich auf den Paukboden. Die Partie kam tatsächlich zustande. "Delius erhielt einen kräftigen 'Blutigen' über die Stirn und Nietzsche eine Tiefquart quer  über den Nasenrücken. Er behielt davon eine kleine Narbe, die ihm nicht übel stand." Curt P. Janz, Friedrich Nietzsche, Bd. I, 1978, S. 140

Gelegentlich soll Nietzsche mit seinen Freunden ein Pistolen-Wettschießen mit Freunden unternommen zu haben, was Janz allerdings wegen Nietzsches extremer Kurzsichtigkeit bezweifelt. Vgl. Janz, ebd., Bd. I, S. 446; Bd. II, 201

Ferdinand
Lassalle 1825 - 1864 L. verfaßte nicht nur politische Schriften, sondern auch originelle Beiträge zur Rechtsphilosophie und ein Werk über Heraklit. Wegen  Aufreizung der Staatsgewalt  wurde er 1849 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Mit seiner Strategie des  friedlichen Hineinwachsens  in den Sozialismus grenzte er sich von der radikalen Linken ab. Überraschend ist das Ende dieses Apostels der Arbeitermassen und Vaters der deutschen Sozialdemokratie, der ansonsten kein Freund der ständischen Moral gewesen ist: In einem Duell aus Gründen der Eifersucht um eine Frau wurde er vor den Toren Genfs in den frühen Morgenstunden des 28. August 1864 von einer Kugel so schwer verletzt, daß er wenige Tage später starb. Die Dame, eine junge Schöne mit titianroten Haaren namens Helene von Dönniges war bereits verlobt mit dem Fürsten Janko von Rankowitz. Nach einer kurzen Amoure hatte sich die Dame von Lasalle losgesagt und war zu ihrem Verlobten zurückgekehrt. Lasalle wollte wohl das Schicksal erzwingen, beleidigte den Verlobten und dieser forderte ihn prompt zum Duell. Der Schuß traf ihn tödlich in den Bauch. Augenzeugen  berichten, Lasalle habe nicht einmal seine Pistole erhoben, sondern rätselhaft gelächelt, als sein Rivale auf ihn anlegte, so als habe er an die eigene Unverletzlichkeit geglaubt. Lit. D. Kügler, Das Duell. Zweikampf um die Ehre, 1986, 46 - 52; Francis Wheen, Karl Marx, aus dem Englischen übertragen v. Helmut Ettinger, München: Bertelsmann 2001 (zuerst London 1999), 301.

Die gemeinsame und gleichzeitige Liebe von Paul Rée und Friedrich Nietzsche zu Lou von Salomé schlug zwischen den beiden Männern zeitweise in gegenseitigen Haß um; in der Tat scheint Nietzsche den Gedanken an ein Duell erwogen haben, erschreckte und entzückte ihn. An Ida Overbeck schrieb Nietzsche: "Vieleicht bringt der Herbst noch ein kleines Pistolenschießen!" Werner Ross, Der ängstliche Adler. Friedrich Nietzsches Leben, München: dtv 1994 (2. Aufl.), 655.

Karl Lamprecht, der als Historiker ganz neue kulturgeschichtliche Wege beging und den Gang der Geschichte als gesetzmäßig auffaßte, brachte die ganze akademische Welt gegen sich auf und wurde in den 1890er Jahren sogar mit Duellforderungen konfrontiert.

Eine schwere Verletzung in einem Duell bewirkte bei Hermann Keyserling (1880 - 1946), der durch sein Reisetagebuch eines Philosophen (1919) Berühmtheit erlangte, einen “Umschwung vom Naturburschen- und Kraftmeiertum zum Geistesmenschen”. (Werner Ziegenfuß Philosophen-Lexikon Zwei Bände, Berlin 1949/50, I 656ff.) Hermann Keyserling, der zuerst in Dorpat studierte, führte dort, nach eigenen Angaben ein wildes Studenten- und "Luderleben". Dann kam es 1899 zu einem Unglück, das K. als sein Wendeerlebnis stilisierte: Während einer Mensur wurde er schwer verletzt. Ein Hieb hatte ihm die Mammalia interna durchgeschnitten und nur dank seiner außerordentlich guten Konstitution überlebte er. Die Duellverwundung führt ihn zu einem "Umschwung zum Geistesmenschen". Barbara Garthe, Über Leben und Werk des Grafen Hermann Keyserling, Diss. 1976, 60f.; H. Keyserling, Reise durch die Zeit, Bd. I, Vaduz 1948, 223.


Der Ökonom Joseph Schumpeter duellierte sich, die Rede von einem in Czernowitzer Zeiten gewonnenen Duell machte in Harvard die Runde und Schumpeter prahlte eher damit als ein Geheimnis daraus zu machen. „Denn was soll man von einem Mann halten, der, von einem starken Ehrgeiz angetrieben, sich einerseits unter einen täglichen Arbeitsstress setzte, unzählige gelehrte Bücher las und viele, nicht selten voluminöse Werke verfasste - und andererseits am helllichten Tage im offenen Wagen mit zwei bekannten Prostituierten demonstrativ durch Wien fuhr, um der Wiener Gesellschaft zu zeigen, dass ihn das Gerede über seinen Lebenswandel nicht interessiert? Was ist von einem Mann zu denken, der einerseits über die großen Entwicklungslinien von Wirtschaft und Gesellschaft nachdachte und andererseits ein regelrechtes Duell mit einem Bibliothekar ausfocht, weil der Schumpeters Studenten nicht alle verlangten Bücher aushändigen wollte?“ Gerald Braunberger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.2008, Nr. 17, S. 14.


Alice Schaleck (1874 - 1956), österreichische Reisejournalistin der Neuen Freien Presse in Wien, im 1. Weltkrieg Kriegsberichterstatterin, führte 1916 einen Ehrenbeleidigungsprozeß gegen Karl Kraus. Kraus hatte wegen ihrer Neigung, das Soldatenleben zu folklorisieren, satirische Kommentare über sie in der Fackel veröffentlicht. Der Bruder forderte daraufhin Kraus zum Duell, aber Kraus verwies ihn an seinen Anwalt. Beide Seiten verfaßten lange Stellungnahmen, ansonsten passierte nicht viel in diesem Verfahren. 1919 ließ Frau Schalek es einstellen.

Der Pazifist Emil Gumbel (1891 - 1966) duellierte sich mit A. Bergsträsser, wobei letzterer ein Auge verlor. M. Plessner, Die Argonauten auf Long Island, 1995, 82.

Wegen eines negativen Gutachtens zu einer Dissertation kam es im Juli 1938 zwischen den Göttinger Philosophen Hans Heyse und Eduard Baumgarten zu einer heftigen Auseinandersetzung, die ein Parteigerichtsverfahren der NSDAP nach sich zog, in dessen Verlauf Baumgarten den Heyse-Freund und Gaudozentenbundsführer Schürmann zum Duell forderte, aber der Ehrenhandel wurde nicht mehr ausgetragen, weil eine Woche später der Zweite Weltkrieg ausbrach. H. Becker, H.-J. Dahms und C. Wegeler, Hrsg., Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, 1987, 189.


Allgemeine Literatur: Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991; Uwe Schultz, Hg., Das Duell. Der tödliche Kampf um die Ehre, Frankfurt am Main 1996.